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HANDSOME FURS

Liebe, Triebe, Heiterkeit

HANDSOME FURS

Sie gelten als das wundersamste Paar des Indierock – weil Dan Boeckner und Alexei Perry einfach das machen, worauf sie Lust haben und keine Grenzen als natürlich akzeptieren. „Das behaupten viele, wir sind aber verkopfter als man meint“, rechtfertigen die Handsome Furs den Großteil der Fakten über sich: Ihr neues Album ´Sound Kapital´ klingt erneut wie locker aus der Hüfte geschossen und vermittelt eine Stimmung zwischen ‚Everything goes’ und ‚Mach, worauf du Lust hast’-Gefühl. Auch wenn sie privat ganz anders ticken.

Es ist schon einen Hingucker wert, wie sie da auf der Dachterrasse ihres Berliner Hotels sitzen. Selbst Gäste, die nicht wissen, wer die Handsome Furs sind, erkennen sofort, dass es sich um Rockstars handeln muss: „Die sehen ziemlich wüst aus“, mokiert sich eine alte Dame in der Lobby und liegt mit ihrer Einschätzung nicht ganz falsch.

Hinter Alexei Perry und Dan Bueckner liegt eine wilde Warm-Up-Tour durch den Osten Europas, auf der die neuen Songs getestet und vom Publikum umjubelt empfangen wurden: „Osteuropa ist für uns immer eine Reise wert und diesmal wollten wir der dortigen Crowd etwas Besonderes bieten – die neue Platte feierte allein hier ihre Live-Taufe und das war eine tolle Erfahrung für uns.“

An eine Auszeit habe er nie gedacht, bekräftigt Dan Boeckner, denn vergessen werden darf nicht, dass der schlaksige Sänger seine Brötchen hauptberuflich bei Wolf Parade verdient und mit den Kollegen erst im vergangenen Jahr eine groß angelegte Welttournee absolvierte. Seine Frau Alexei Perry zeigte sich währenddessen ebenso umtriebig und versuchte ihr Glück als Schriftstellerin.

„Ich habe bereits ein paar Seiten fertig“, stapelt sie auf Nachfrage tief, „also um die 500 und Dan meint, ihm gefalle, was er da liest. Gibt mir ein gutes Gefühl, denn seine Meinung ist mir bei künstlerischen Prozessen wichtig.“

Boeckner grinst derweil leicht verschmitzt und kontert, dass die Story teilweise sehr explizit ausgefallen sei.

Was genau heißt das?

„Alexeis Roman ist eine erotische Thriller-Collage und geht sehr ins Detail“, stammelt er unbeholfen und legt seine Hand auf die Schulter der Liebsten, „aber super Sache, Darling. Das passt zusammen und ich finde es von vorne bis hinten schlüssig.“

Um die beiden nicht weiter in Verlegenheit zu bringen, lenkt man das Gespräch vorsorglich auf die neue Platte der Handsome Furs.

Welche mit dem Titel „Sound Kapital“ eine etwas andere Richtung einschlägt als der Vorgänger „Face Control“ – mehr Klangflächen bestehend aus Synthie-Beats und Keyboards bereithält und so gar nicht wie ein Werk des Indierock klingt will. Gewollt sei dies zwar nicht, ergeben habe es sich trotzdem und das keineswegs durch Zufall.

„Unsere Alben versuchen sich selten am Vorgänger zu orientieren. Jedes steht für sich und obwohl wir keinen Masterplan besitzen, ist es schon ein Anspruch von uns, stets Neues auszuprobieren.“

Wie recht Alexei damit hat, zeigt sich am Abend nach dem Interview, als die Handsome Furs in Berlin die deutsche Konzertpremiere von „Sound Kapital“ feiern.

Unfassbar heiß ist es im kleinen Club und als ihnen die Sache zu warm wird, bitten sie das anwesende Publikum sich zu entkleiden – als Gegenleistung bieten die Handsome Furs an, ebenfalls bis auf die Hose blank zu ziehen - und wirklich, keine Minuten später geht der Plan auf und die Band zelebriert den Abend, als ob es keinen Morgen gäbe.

„Das ist unsere Philosophie: Wer nach getaner Arbeit nicht die Energie aufbringt, dass eben Erspielte kraftvoll umzusetzen, macht etwas falsch. Halbe Sachen sind nicht unser Ding und was ist schlimm daran, wenn du dich auf der Bühne gehen lässt?!“

Ganz richtig, „Sound Kapital“ ist vor allem ein schweißtreibendes Indiealbum, dass den Begriff „Rock“ zwar nicht offen ausspricht, aber in vielen Momenten damit liebäugelt. Der wilde Stilmix der Platte gelingt den Handsome Furs einfach deswegen, weil sie sich blind verstehen.

Da kann die alte Dame in der Lobby noch so zetern, was Alexei Perry und Dan Boeckner teilen, ist etwas ganz Besonderes: Ein Bewusstsein, dass der andere – was auch immer passiert – der engste Vertraute bleibt und dass sie die Presse genau dafür liebt, ist mehr als offensichtlich.

Freilich nicht allein deswegen, auch der Sound sucht einmal mehr seinesgleichen. Gut, dass diese Band tickt, wie sie tickt: Einfach anders.

Aktuelles Album: Sound Kapital (Subpop / Cargo)



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