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FRANK TURNER

Der freundliche Diktator

FRANK TURNER

Wenn er auf der Bühne steht, wirkt er wie der glücklichste Mann auf Erden. Und Glück ist offenbar sein Begleiter. Mit dem Einstieg in die englischen Top10 für „England Keep My Bones“ hatte er vielleicht am wenigsten gerechnet. Dass sein Publikum ihn liebt, daran arbeitet Frank Turner aber an jedem Abend, an dem er weltweit die Bühnen entert und nach einem unnachahmlich vorgetragenen Unterhaltungsprogramm noch freundlich zu einem Bier inklusive Smalltalk an der Bar einlädt. Man fragt sich: Was muss im Publikum passieren, damit Frank Turner schlechte Laune bekommt?

„Zuallererst bezeichne ich mich als glücklichen Menschen, weil ich etwas gefunden habe, das ich liebend gern tue. Und nicht nur das: auch andere Leute mögen es, wenn ich das tue. Und so kann ich auch noch mein Leben davon bestreiten. Ja verdammt, ich bin ein glücklicher Mensch. Was mich absolut aufregt, ist Respektlosigkeit. Ich habe einen Haufen Konzerte gespielt und eine Reihe solcher Dinge erlebt. Da war dieses Mädchen, das eines Abends vorne auf der Bühne saß, rauchte und pausenlos mit Ihrer Freundin quatschte. Ich sprach sie höflich darauf an, dass sie überall auf der Welt die Möglichkeit hätte, Konversation zu betreiben, dass aber der Ort, an dem sie sich gerade befand, der einzige wäre, an dem ich ein Konzert für Leute spielen würde, die mich gerne hörten. So habe ich sie tatsächlich dazu bekommen, sich nach hinten zu verziehen. Insgesamt passiert es aber selten, dass die Leute nicht der Musik wegen kommen.“

Distanziertheit zum Publikum ist für Frank Turner ein Fremdwort und so knüpft und pflegt er Kontakte in der ganzen Welt.

„Es ist mittlerweile wirklich so, dass ich hinkommen kann wo ich will, und da ist jemand, den ich kenne. Wenn ich z.B. nach El Paso, Texas, komme, treffe ich meinen guten Kumpel Jim, wir hängen herum, ich spiele eine Show, wir haben ein paar Bier und das fühlt sich einfach gut an.“

So sehr er sich mit dem Publikum und Kollegen versteht, so wichtig ist es ihm, unabhängig zu sein und alle Entscheidungen selbst treffen zu können.Nach der Auflösung von Million Dead vor einigen Jahren gab er bekannt, dass er einfach kein Bandmitglied mehr und vorerst ausschließlich solo unterwegs sein wolle.

„Bei Million Dead war es am Ende so, dass wir uns regelrecht gehasst haben. Bei meiner aktuellen Tour-Band kann das nicht passieren. Es ist mein Projekt, da herrscht definitiv keine Demokratie, aber jeder in der Band weiß und akzeptiert das. Für mich ist es optimal: ich muss nicht allein touren, habe mit den Jungs jede Menge Spaß, den ich nicht hätte, wenn ich mir selbst Witze erzählen müsste und mache trotzdem genau mein Ding.“

Und eine Band die nicht seinen Namen trägt, kommt die in Zukunft überhaupt in Frage?

„Definitiv habe ich Interesse daran, mit anderen Musikern das ein oder andere Projekt zu starten, aber in der Hauptsache möchte ich der Diktator bleiben, der ich jetzt bin. Vorstellen könnte ich mir etwas in Richtung „noisy heavy nasty screamy screechy ugly music“. Wenn ich z.B. Jesus Lizard höre, dann möchte ich etwas in dieser Richtung ausprobieren.“

Aber der Künstler Turner hat neben der Musik nun ein weiteres Feld für sich entdeckt, nämlich das der Schriftstellerei. Beschäftigt er sich textlich vielfach mit Lyrik, ist seine Arbeit als Autor jedoch zunächst autobiografischer Natur.

„Es stimmt. Ich arbeite bereits seit einiger Zeit daran. Als man mit der Idee auf mich zukam, fand ich die Idee eines Tour-Tagebuchs cool. Erst als ich damit loslegte, wurde mir klar, wie viel Arbeit dahinter steckt. Ich hatte zuvor aufgrund der Fülle meiner Erlebnisse geglaubt, das Ding schreibe sich von selbst, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich will ehrlich sein: das Ding werde ich wohl nicht allzu schnell fertigstellen.“

Passt gar nicht zum ansonsten so eifrigen Musiker, aber der spielt eben lieber, als davon zu erzählen.

„Ich habe noch viele Pläne. Eine Cover-Platte gehört genau so dazu wie Aufnahmen traditioneller englischer Folk-Songs. Was davon verwirklicht wird, wird man sehen. Ich bin kein Typ, der seine Arbeit vorher bis ins Kleinste durchplant und sich sagt: Ich werde jetzt über dies oder das schreiben. Ich lasse Ideen einfach fließen und betrachte im Nachhinein das Ergebnis.“

Und vielleicht ist ja genau das der Grund, weshalb auch sein Publikum immer etwas Unerwartetes erwarten darf. Bleiben wir gespannt auf die vielen Ãœberraschungen, die da noch auf uns zukommen.

Aktuelles Album: England Keep My Bones (Epitaph / Xtra Mile / Indigo)

Foto: Erik Weiss

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